Donnerstag, 18. Juli 2013

Arabische Düfte

Von Malatya fahren wir über Adıyaman zum Nemrut Dağı, einem 2150 Meter hohen Berg. Der späthellenistische König Antiochos I. errichtete auf dem Nemrut Dağı rund 50 Jahre v. Chr. Ein Heiligtum und Grabstätte. Das Heiligtum sollte Zentrum einer neuen, von seinem Vater Mithridates Kallinikos gestifteten und von ihm ausgebauten Religion sein, die persische und griechische Mythologie vereinte. Die Kultstätte wurde erst 1881 wiederentdeckt. Auf dem Gipfel sind vor allem die großen  Götterstatuen sehenswert. Und natürlich der Sonnenauf- oder Sonnenuntergang. Wir entscheiden uns für den Sonnenuntergang, denn für den Sonnenaufgang müssten wir bereits um ca. 4 Uhr auf dem Gipfel sein. Auf dem Weg zum Nemrut Dağı frage ich mich, wieso Antiochos diesen Berg ausgesucht hat. Die Region ist sehr heiß, eher unwirtlich und vor über 2000 Jahren muss der Weg da hinauf sehr beschwerlich gewesen sein. Ich denke mal der Standpunkt war strategisch wichtig. Auf Nemrut Dağı lernen wir das belgische Studenten-Päärchen Daniela und Johann kennen. Da wir die nächsten Tage die gleiche Route geplant haben, werden uns die beiden noch ein wenig begleiten.

Am nächsten Morgen fahren wir, nachdem uns der Chef der Pension noch ein Souvenir-Geschenk mitgibt, da er so Freude an Jonas hat, mit Daniela und Johann nach Urfa. Auf dem Weg besichtigen wir den Atatürk Staudamm. Allerdings können wir nicht über die Staumauer spazieren, wie wir uns dies von den Schweizer Stauseen gewohnt sind. In den 1980er Jahren startete die Türkei das riesige Staudammprojekt GAP, dessen Herzstück mit 169 Metern der Atatürk-Staudamm ist. Der Atatürk-Stausee ist 1.5 mal größer als der Bodensee. Die Menschen mit denen wir in Urfa sprechen sehen im Atatürk-Staudamm eine gute Entwicklung. Die sehr trockene Region verfügt nun über genügend Wasser, um Baumwolle, Mais oder Weizen anzubauen. Die landwirtschaftliche Produktion konnte enorm gesteigert werden. Ökologisch und politisch ist das Projekt jedoch hoch umstritten. Menschen müssen umgesiedelt werden, antike Stätten werden zerstört und das Projekt kostet die Regierung Milliarden. Zudem stellt das Projekt einen internationaler Konfliktherd zwischen der Türkei und den türkischen Anrainerstaaten dar. Diese sehen ihre Wasserversorgung bedroht und fürchten, dass die Türkei ihnen das Wasser einfach abdrehen könnte. Mit der Fertigstellung des GAP werden dem Euphrat etwa 11 Mrd. m³ und dem Tigris 6 Mrd. m³ Wasser pro Jahr entzogen. Dem Irak könnten dann bis zu zwei Drittel des vorherigen Euphratwassers fehlen, für Syrien sieht es nicht besser aus. Mit GAP lässt der türkische Staat also seine Muskeln spielen, ein Konflikt ums Wasser ist unumgänglich.

In Urfa herrscht Verkehrschaos. Es braucht etwas Nerven bis wir das Hotel finden, umso mehr weil es mit 40 Grad brütend heiß ist. Sobald es am Abend etwas abkühlt erkunden wir die Stadt. In Urfa haben wir das Gefühl, im Nahen Osten angekommen zu sein. Nur 50 km von der syrischen Grenze sind hier die arabischen Einflüsse gut spürbar: wir sehen ab und zu arabische Beschriftungen, die Händler verkaufen Datteln und orientalische Gewürze, eine bedeutende Minderheit der Einwohner ist arabischstämmig. Urfa (oder gemäß neuem Namen Şanlıurfa) ist die fünftheiligste Stätte des Islam und ein bedeutender Wallfahrtsort. Abraham und Ijob sollen hier gelebt haben. Entsprechend islamischer Tradition wurde Abraham hier geboren, seine angebliche Geburtshöhle wird verehrt und ist eine wichtige Pilgerstätte. Zur bedeutenden Halil-Rahman-Moschee gehört ein Teich mit heiligen und unantastbaren Fischen. Die Legende besagt, dass Gott Abraham, der auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, errettete, indem er das Feuer in Wasser verwandelte und Glutbrocken zu Karpfen wurden. Wir gingen mit der Vorstellung nach Urfa, dort guten Fisch zu essen. Unsere türkischen Freunde in Malatya redeten im Zusammenhang mit Urfa immer von guten Fischen. Ich verstand falsch und interpretierte, es gäbe gute Fische zum Essen in Urfa. Auf entsprechende Nachfrage in zwei, drei Restaurants werden wir nur ungläubig angeschaut. Langsam ahnen wir, dass wohl die heiligen Fische im Teich gemeint sind. In Urfa isst man keinen Fisch.

Hier spielt der Ramadan eine bedeutendere Rolle, als in den anderen Orten in denen wir bis jetzt waren. Also bekommen auch wir erst nach Sonnenuntergang um ca. 20 Uhr etwas zu essen. Da es sowieso sehr heiß ist, ist das überhaupt kein Problem. Nach dem Essen plaudern wir mit Ibrahim, der beklagt, dass vor zehn Jahren viel mehr Touristen die Stadt besucht hätten. Die Schuld dafür gibt er dem Kurdenkonflikt, aber ich bin nicht sicher ob wir uns richtig verstehen. Sicher ist, dass er ein Befürworter Erdogans ist, dieser hätte viel für den Frieden mit den Kurden getan, sagt Ibrahim, selber Kurde. Heute ist ein anderer Konflikt in Urfa direkt spürbar, jener in Syrien. In der Region gibt es drei Flüchtlingslager. Wir treffen auf einige Flüchtlinge und bettelnde Kinder. Eine junge Frau erzählt uns, dass ihr Vater tot ist und sie jetzt mit ihrem Sohn in Urfa ist. Diese Geschichten sind so traurig, es ist schwierig Worte zu finden…

Von Urfa aus besuchen wir Harran, einer der ältesten permanent bewohnten Orte auf der Welt. Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. Lebten hier Menschen, auch die Überreste der ältesten Universität der Welt stehen hier. In Harran treffen wir auf einen türkisch-schweizerischen Doppelbürger, der seit 20 Jahren in Buchs lebt. Die Welt ist klein.

Bald gehen wir in den Iran, und ich brauche noch ein paar (lange, weite) Kleider. Wie sich herausstellt eignet sich der hochgelobte Bazar von Urfa nicht für Shopping, also versuche ich mein Glück in einem Kleiderladen. Die angebotene Mode entspricht nicht ganz meinem Geschmack, aber ich finde einen langen Rock. Dass er etwas zu gross ist kein Problem, im Handumdrehen wird er etwas enger genäht, ohne Aufpreis versteht sich. Den Männern wird hier Tee serviert während die Frauen einkaufen. Was die 19jährige Verkäuferin aber am meisten interessiert ist, wie Jonas und ich zueinander stehen. Ob wir verheiratet, Freunde oder Geschwister sind. Meine Antwort entrückt ihr ein verschmitztes Lächeln.


Und kulinarisch?
Urfa ist bekannt für Lamm-Leber. Ganz nach dem Motto was der Bauer nicht kennt frisst er nicht lassen wir diese aus. Also bleiben wir bei den bekannten Kebaps, die hier aber stärker gewürzt sind als im Rest der Türkei. Den orientalischen Einfluss spürt man auch bei den Salaten, die oft mit frischer Minze angereichert sind. 




3 Götter auf dem Nemrut Dagi




Aussicht



Sonnenuntergang



Atatürk-Staudamm



Urfa





Vor dem Teich mit den heiligen Fischen



Überreste der ältesten Universität in Harran


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