Montag, 12. August 2013

Die halbe Welt

Isfahan ist die touristischste aller iranischer Städte. Das hat natürlich seinen Grund. Unter der verschiedenen Herrschaften hatte Isfahan stets eine wichtige Bedeutung. Die Blütezeit erreichte die Stadt aber unter der Herrschaft der Safaviden (1500-1722). Shah Abbas I. verlegte 1598 den Hauptort von Tabriz im Nordwesten nach Isfahan, um vor den ständigen Angriffen der Osmanen gefeit zu sein. Es wurde eine prachtvolle Residenzstadt errichtet, die Zentrum des Reiches war und deren Ruf sich bis ins ferne Europa verbreitete. Ein nicht gerade bescheidenes Sprichwort lässt verlauten: “Isfahan - das ist die halbe Welt”.

Unsere Erwartungen sind dementsprechend hoch. Bevor wir aber überhaupt dazu kommen “die halbe Welt” eingehend zu besichtigen, machen wir einige bizarre Begegnungen.

Kurz nach unserer Ankunft setzen wir uns im Park in die Wiese und wollen unseren Aufenthalt etwas planen. Es dauert keine fünf Minuten, bis wir Gesellschaft haben. Von einem 20-jährigen, der ein bisschen mit uns plaudern möchte Soweit nichts aussergewöhnliches, das passiert ständig. Wir lassen uns auf das Gespräch ein, erfahren dass er die iranischen Frauen äußerst kompliziert und wählerisch findet - ob es wohl daran liegt, dass er bis vor kurzen drei Freundinnen gleichzeitig hatte? Nebenbei erwähnt er, er habe eine Kollegin, ein 10-jähriges Mädchen, das gerne mit den Touristen Englisch spricht, aber zu scheu ist diese anzusprechen. Dann telefoniert er. Fünf Minuten später stehen das Mädchen und ihr Vater auf der Matte. Er hat ihnen gesagt, er hätte Ausländer gefunden. Das Mädchen scheint alles andere als scheu. Wie aus der Pistole geschossen wirft sie uns ihre Fragen an den Kopf. Über uns, über die Schweiz, darüber was wir vom Iran halten. Unsere Irritation beginnt. Die Halbwüchsige hat auch ganz genaue Vorstellungen davon, was sie später werden möchte. Ärztin, nur Ärztin, und auf Augen oder Herz spezialisiert. Aha. Dann will sie wissen, wie wir kommunizieren können, um uns für den Folgetag zu verabreden. Sie will sich mit uns treffen (ob wir das auch wollen scheint keine Rolle zu spielen). Wir sollen ihr unsere Email geben. Verwirrt wie wir sind machen wir das. Ihr Vater erinnert uns dann etwa noch fünf mal daran, dass wir unbedingt die Email checken müssen. Das was hier abgeht ist wohl ehrgeizige Förderung der Eltern. Madame Dreikäsehoch hat nichts mit einem unbeschwerten Kind zu tun, das in den Sommerferien eigentlich Spass haben sollte statt Touristen hinterherzujagen um Englisch zu üben. Als ich 10 war, haben
mich über 30-jährige null interessiert, das waren alte Leute. Als wären der 20jährige Frauenheld, das aufdringliche Mädchen und ihr Vater nicht genug, gesellt sich noch ein anhänglicher ca. 40jähriger Sonderling hinzu. Er beteuert mir, er habe keine Freundin (und ist wohl noch auf der Suche einer solchen). Als ich sage, ich arbeite auf einer öffentlichen Verwaltung, hegt er die Hoffnung, es sei die Botschaft. Von dieser fixen Vorstellung ist er dann kaum mehr abzubringen.

Endlich schaffen wir es, uns von der Gruppe zu lösen. Wir wollen etwas essen gehen. Kaum losmarschiert spricht uns erneut jemand an. Ein 36-jähriger Iraner, der in Polen lebt, und zu Beginn ziemlich witzig ist. Er sei mit einem Freund aus Holland ebenfalls am reisen. Er empfiehlt uns ein vegetarisches Restaurant (da wir in letzter Zeit genug Fleisch gegessen haben, sind wir hierfür sehr empfänglich), in das er dann gleich mitkommt. Die Unterhaltung läuft schleppend, der Typ ist nervös, und als wir mit dem Essen fertig sind, hat er es sehr eilig, wieder loszukommen. Er erzählt uns, er könne für uns Alkohol besorgen wenn wir wollten und so weiter. Ich traue ihm nicht, er wirkt komisch. Zum Schluss regelt er alles mit der Rechnung (die in Farsi daherkommt). So viel haben wir noch nie bezahlt fürs Essen. Klar, es ist ein hippes Restaurant, trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob er uns nicht zuviel abgeknöpft hat.

Die merkwürdige Begegnung Nummer drei ereignet sich einen Tag später: Wir treffen auf der Strasse einen älteren Herrn, er beginnt mit uns zu reden. Ein Uni-Professor, der Englisch, Deutsch und Französisch spricht. Ob er uns am Folgetag ein paar Orte zeigen dürfe? Wir willigen ein, schließlich haben wir bis anhin gute Erfahrungen gemacht, als uns Einheimische herumführten. Als wir ihn treffen spazieren wir ein paar Minuten, bis wir auf dem grossen Platz vor dem Bazar ankommen. Wie zufällig trifft er dort einen ehemaligen Studenten, der zu einer der reichsten Familien Isfahans gehört. Sein Vater ist der bedeutendste Teppichhändler der Stadt. Und ehe wir uns versehen sind wir auch schon drin, im Teppichladen. Der Sprössling erklärt uns die verschiedenen Herkünfte der Teppiche und so weiter, inklusive aller Vorzüge eines Teppichkaufs in seinem Laden. Als ich sage, wir hätten absolut keine Absicht einen Teppich zu kaufen gibt er sich verständnisvoll, er wolle ja nur zeigen. Ganz schnell räumt er aber dann die Teppiche wieder zusammen, das Interesse “zu zeigen” ist erloschen.

Auf Sightseeingtour gehen wir natürlich auch noch, in Isfahan. Imposant ist der Meydan-e Imam, das Herz der Stadt. Der Platz ist mit seinen Massen von 524 mal 160 Metern nach den Tiananmen Platz in Peking der Zweitgrösste der Welt. Bis zur Revolution fanden hier internationale Poloturniere statt. Jede der vier Seiten wird von einem hervorstechenden Bauwerk beherrscht. Im Süden die Moschee Masdjed-e Imam (die früher Moschee des Königs hieß und die als schönste Moschee der Safaviden-Zeit gilt), im Norden das Eingangsportal zum Bazar, im Westen die frühere königliche Residenz Ali Qapu und im Osten die Lotfollah-Moschee (deren Besichtigung wir auslassen).

Ein bisschen entfernt vom Platz besichtigen wir den Chehel-Sotun-Palast, der “Palast der 40 Säulen”. Dies ist einer der während der Safaviden-Zeit zahlreich gebauten Gartenpaläste. Im Hauptsaal bestaunen wir die beeindruckenden Wandmalereien, die neben Hof- und Empfangsszenen und auch Schlachtszenen darstellen. Auch beherbergt Isfahan die Masdjed-e Djameh (Freitagsmoschee). Diese wird von Kennern aufgrund ihrer Einflüsse aus verschiedenen Epochen als interessanteste Moschee des Irans gelobt.

Zudem ist die Stadt bekannt für ihre Brücken, die in der alten Flussoase schon immer eine wichtige Rolle spielten. Als wir die Brücke Si-O Se Pol besichtigen ist der Fluss ausgetrocknet, da der Damm aufgrund Wassermangels geschlossen wurde.

Das Hotel, in dem wir nächtigen ist der Knüller. Das Isfahan Traditional Hotel ist ein Traditionelles Hotel, das in einem früheren Bürgerhaus errichtet wurde. Die Zimmer sind frisch renoviert, die Renovationen im Innenhof sind noch im Gange (wahrscheinlich ist deswegen der Preis recht tief). Das Personal ist superfreundlich und hilfsbereit.

Die Erwartungen an Isfahan waren hoch. Und wie so oft, wenn die Erwartungen hoch sind, sind wir am Ende ein bisschen enttäuscht. Die Stadt ist sehr touristisch, es fehlt ihr an Charme. Und schlussendlich sind es auch immer die Menschen, die den Eindruck auf einen Ort prägen. Diesbezüglich haben wir im Iran schon weitaus schönere Erlebnisse gehabt. Klar, auf einer Iranreise ist der Ort ein Muss. Aber mein Herz hat Isfahan nicht erobert,

Und kulinarisch?
Endlich haben wir Gelegenheit den vielbesagten Tah-e dig-Reis zu probieren. Dieser Reis ist sehr aufwändig in der Zubereitung, und wird deswegen in Restaurants nur selten serviert. Unsere Variante ist mit Safran und Joghurt zubereitet, mit Poulet gefüllt und mit zerehsk (rote Beeren, die leicht säuerlich schmecken) garniert. Das Beste am Reis: die braune Kruste.











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