Dienstag, 6. August 2013

Suche nach Bergromantik und Kampf mit dem Verkehr in Teheran

Bevor wir in die Grossstadt Teheran fahren überzeuge ich Jonas, noch einen Abstecher in die Berge zu machen. Ich möchte das ländliche Iran sehen, und vielleicht etwas wandern, in den Erhebungen des Irans. In meinem Kopf habe ich das Bild wilder Bergromantik. Also fahren wir nach Masuleh. Vor Jahren war eine Freundin von mir dort, der Ort sei friedlich gewesen, und sie die einzigen Touristen. Tönt gut.

Masuleh liegt in der Nähe des kaspischen Meers und ist dank des häufigen Regen umsäumt von grünen Bergwäldern. Der Höhenunterschied im Dorf beträgt etwa 100 Meter, weswegen die Häuser am Hang übereinander gebaut sind. Die Dächer der unteren dienen als Aufgang zu den nächsthöheren. Natürlich beginnt es auch zu regnen als wir vor Ort sind. Zwar entsteht so eine sehr mystische Atmosphäre, wirklich gemütlich ist es aber nicht. Umso weniger, als dass auch unsere Unterkunft zu wünschen übrig lässt. Da ein Bus mit 40 Engländern, die während einem halben Jahr von Grossbritannien nach Australien fahren (wir haben sie bereits in der Türkei angetroffen), ebenfalls Halt im Ort macht, ist das von uns avisierte Hotel voll. Man muss sich das vorstellen, ein halbes Jahr im Bus, mit 40 anderen. Die spinnen, die Briten. Auf jeden Fall müssen wir ausweichen und das Angebot ist begrenzt. Wir mieten ein kleines Studio mit Küche. Die Unterkunft ist jedoch nicht wirklich sauber, frische Laken erhalten wir nur auf Anfrage. Der Zuständige ist ein junger Schönfix (Jonas’ Bezeichnung für geschniegelt), der das Arbeiten wohl nicht erfunden hat.

Aufgrund der widrigen Umstände entschliessen wir uns, nur eine Nacht zu bleiben. Der Ort ist schmuck, aber viel zu unternehmen gibt es nicht. Wenn ich im Regen wandern möchte, werde ich in der Schweiz genügend Gelegenheit dazu haben. Und das mit den wenigen Touristen, das war wahrscheinlich mal. Abgesehen von den 40 Engländern (die für den Jahresumsatz der Frittenbude sorgen) nächtigen im Ort zahlreiche iranische Touristen. Wir verbringen den Abend mit Tee trinken. Zur Feier des 1. August genehmigen wir uns eine Wasserpfeife. Bergromantik im iranischen Stil.

So machen wir uns bereits am nächsten Tag auf den Weg in die Hauptstadt. Entgegen allen Empfehlungen nehmen wir auf Grund des Fahrplans nicht einen VIP-Bus (der nur drei statt vier Sitze in einer Reihe hat) sondern einen “normalen” Bus (der vom Standard her eines etwas älteren Cars in der Schweiz entspricht). Und ich wundere mich, wieso niemand hier den Europäern zutraut, diese Busse zu nehmen, die sind vollkommen in Ordnung.

Teheran hat 15 Millionen Einwohner und liegt zu Füssen des Berges Torchal. Seit 1788 fungiert die Metropole als Hauptstadt des Irans. Wirtschaft, Verkehr, Verwaltung und Kultur des Staates konzentrieren sich hier. Ihre Bedeutung verdankt sie in erster Linie der Lage am alten Handelsweg von Mesopotamien nach Zentralasien. Ist man “nur” an den historischen Sehenswürdigkeiten interessiert, kann man Teheran bei einer Iranreise aussen vor lassen. Wir besuchen die Stadt, um den Puls zu fühlen und uns etwas treiben lassen.

Für ein bisschen Sightseeing verabreden wir uns mit Sadaf, einer Freundin von Aliye aus Tabriz. Sadaf ist 25 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in Teheran. Seit 3 Jahren hat sie einen Freund. Vater und Mutter wissen bis heute nichts davon. Sie fürchtet, ihre Eltern würden durchdrehen. Auf die Frage, was erzählen wird, sollte sie ihren Freund einmal heiraten, weiss sie auch keine Antwort. Sadafs Eltern sind keineswegs extrem konservativ oder gläubige Muslime. Selbst lebten sie ihre Jugendjahre vor der Revolution in Freiheit, mit allem was der damalige Zeitgeist mit sich brachte. Ich frage mich, ob sie sich Sorgen machen, weil eine Beziehung, wie Sadaf sie führt, eigentlich verboten ist. Auf jeden Fall ist Sadaf kein Einzelfall. Unzählige junge Menschen leben heimliche Liebesbeziehungen.

Das Sightseeing macht hungrig. Nach Besichtigung des pulsierenden Tajrish-Platz mit seinem traditionellen und modernen Markt und des Cinema-Museums flüchten wir uns in den Niavaran-Park, um heimlich etwas zu essen. Ramadan.

Am Abend fahren Jonas und ich nach Darband im Norden der Stadt. Darband ist ein beliebtes Ausflugsziel für Teheraner. Zahlreiche Restaurants laden zum flanieren ein. Im Minibus sind wir die Attraktion. Auf die Frage, was wir von der Iraner Regierung halten, antworten wir, dass wir Mitleid mit den Leuten haben. Die Herzen unserer Mitfahrer haben wir so erobert. In Darband angekommen bleiben wir nicht lange allein. Mohamad, ein Iraner der in Budapest studiert, bitten uns, mit ihm und seinen Freunden zu essen.

Ein bisschen Geschichte gönnen wir uns dann doch noch in Teheran. Wir besuchen den Golestan-Palast, der aus mehreren Gebäuden besteht und einst Teil der alten Zitadelle von Teheran war. Der Palast wurde Ende des 17. Jahrhunderts errichtet und war bis zur Revolution 1979 offizieller Sitz des persischen Monarchen. Eine riesiger Garten und prunkvolle (in unseren Augen kitschige) Säle sind hier zu bestaunen.

Am Abend treffen wir uns noch mal mit Sadaf. Wir besuchen den Borj-e Milad, der mit 435 Metern der sechsthöchsten Fernsehturm der Welt und der höchsten Turm des Irans ist. Von oben bietet sich ein toller Ausblick auf die riesige Stadt. Anschliessend bummeln wir etwas auf dem Gelände. Aufgrund des Ramadans finden folkloristische Feierlichkeiten statt und Stände bieten typisch iranische Produkte an. Die Tanzvorführungen werden nur von Männern dargeboten. Im Iran ist öffentliches Tanzen für Frauen verboten.

Obwohl in Teheran die Regierung sitzt, die alles Westliche zu unterbinden sucht, orientieren sich hier die Leute stark am Westen. In den wohlhabenderen Gegenden der Stadt haben circa 80 Prozent der jungen Frauen und auch einige Männer eine operierte Nase. Plastische Chirurgie ist weit verbreitet. Mit einem Nosejob zeigen die jungen Leute, dass sie zu einer bestimmten Gesellschaft gehören und trendy sind. So wird auch das Pflaster nach der OP so lange als möglich stolz getragen. (Zu diesem Thema: http://www.20min.ch/schweiz/news/story/29459600).

Vom Präsidentenwechsel der während unseres Aufenthalts in Teheran stattfindet, spüren wir nichts. Auch hier haben die Menschen wenig Hoffnung, dass Rohani die gewünschte gesellschaftliche Liberalisierung ermöglicht. Aber sie sind froh, Ahmadinejad, oder den “Affen“, wie die Einheimischen ihren neuen Ex-Präsidenten nennen, los zu sein.

Teheran ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Zwar habe ich noch nie so viele hässliche Gebäude auf einmal gesehen wie in Teheran, aber der Puls, den die Stadt hat, ist bemerkenswert. Wenn man den Verkehr nicht scheut (eine Strasse zu überqueren ist der Horror), gibt es in der Stadt viel zu entdecken.

Und kulinarisch?
Sadaf empfiehlt uns Dizi zu kosten. Dizi ist ein Eintopf aus Fleisch, Tomaten, Kichererbsen und Kartoffeln. Die Flüssigkeit giesst man in eine Suppenschüssel. Der kräftigen Brühe fügt man Brot bei und isst dies als Suppe. Der Rest wird zu einem Mus zerstampft, und ebenfalls mit Brot gegessen. Ganz ehrlich? Mir schmeckt es nicht. Zu deftig, zu fettig. Jonas scheint’s zu mögen.

Ansonsten sind wir in Teheran fremdgegangen und haben das Angebot internationaler Küche in Anspruch genommen. 













1 Kommentar:

  1. Oh God!
    I am so mad at Alfie ( He's my pet bird)
    I typed a real long comment here for you and then,in the end, he started walking on the keyboard and before I could stop him, he pressed the Backspace button! :(((
    God bless Google Translator! I can follow your posts almost as easy as your other friends!
    This is Sadaf,by the way. ;-)

    I wanted to say " WOW! You guys really know how to enjoy your time everywhere you go!"
    I laughed so hard when I read your opinion about ugly buildings in Tehran! So true! But I've learnt to look at them in a different and less annoying way!
    And about relationships...You got it right! There are almost no single young people in Iran...Or at least not any one who has ALWAYS been single...Life goes on and finds its way like a river,even if the traditional culture and parents don't like its way! :-)


    Go ahead friends and enjoy your time to the fullest!
    And share more of experiences here with us.
    :-)

    AntwortenLöschen